v.l.n.r. Janine Wissler, Bernd Riexinger, Katja Kipping, gregor Gysi
und Matthias Höhn bei der Pressekonferenz am 23. September 2013 zum
Ausgang der Bundestagswahl / Foto: dpa
Gregor Gysi zum Ausgang der Bundestagswahl am 22. September 2013
Für DIE LINKE ist es ein historisches Ergebnis: Dass wir drittstärkste
politische Kraft in Deutschland geworden sind, markiert einen
Akzeptanzgewinn, der 1990 undenkbar schien. Wir haben uns mit vereinten
Kräften das Vertrauen zurückerkämpft, dass wir zwischenzeitlich im Laufe
der vergangenen vier Jahre selbst verspielt hatten. Das ist ein
Verdienst der ganzen Partei, besonders aber der beiden
Parteivorsitzenden.
DIE LINKE ist aus der deutschen Politik nicht mehr wegzudenken und erst
recht nicht mehr wegzukriegen. Mit dieser Wahl hat sich das Land
endgültig europäisch normalisiert.
Mit 32 in den westdeutschen und 32 in den ostdeutschen Ländern
gewählten Abgeordneten, mit 36 Frauen und 28 Männern haben wir eine
wunderbare Mischung in der neuen Fraktion, die wir jetzt politisch
produktiv machen werden.
Wir werden uns sofort an die Arbeit machen und unsere Vorschläge für
einen Politikwechsel in Deutschland in parlamentarische Initiativen
gießen, über die der Bundestag dann noch in diesem Jahr entscheiden
soll: Mindestlohn, staatliche Strompreisaufsicht, Mietpreisbremse, Equal
Pay in der Leiharbeit, Vermögensteuer.
Denn – und das gerät angesichts der Zahlen für die Union bisher zu sehr
aus dem Blick: Angela Merkel hat zwar ein sehr gutes Wahlergebnis
erzielt, aber sie hat eben keine Mehrheit für eine Fortsetzung ihrer
Politik. Rot-Rot-Grün hat die Mehrheit, wenn SPD und Grüne ihre
Wahlprogramme ernst meinen. Unsere Initiativen im Bundestag in den
ersten Wochen werden für sie zur Probe aufs Exempel werden.
Die Wahl hat gezeigt, dass man einen Politikwechsel nur dann
glaubwürdig gegenüber den Wählerinnen und Wählern vertreten kann, wenn
man die politischen Realitäten und die politischen Mehrheiten dafür
akzeptiert und offensiv nutzt, statt sich in Ausschließeritis zu üben
und Türen für eine andere Politik zuzumachen. Ich bin sicher, dass es
dies in dieser Form zum letzten Mal gegeben hat.
Für diese Erkenntnis kann man auch einen Blick nach Hessen werfen, dass
ja schon häufig in den letzten Jahrzehnten Labor für politische
Neuerungen in Deutschland war. Dort hat DIE LINKE letztlich die
Fortsetzung von Schwarz-Gelb verhindert, Rot-Grün hatte dazu nicht die
Kraft. Hessen zeigt auch, dass DIE LINKE im Westen auch in
Flächenländern Wahlen gewinnen kann. Wir müssen die nächsten Jahre
nutzen, um die Partei im Westen breiter in der Gesellschaft zu
verankern.
Es ist an der Zeit, den Wählerwillen und die politischen Mehrheiten
Ernst zu nehmen, so wie sie die Wählerinnen und Wähler bestimmt haben.
DIE LINKE steht für einen Politikwechsel hin zu mehr sozialer
Gerechtigkeit, friedlicher Außenpolitik, mehr demokratischen
Mitwirkungsmöglichkeiten und unsere Türen für solche Gespräche waren und
sind offen. Und wenn nicht heute, wird die SPD spätestens bei den
Landtagswahlen im nächsten Jahr in Thüringen, Sachsen und Brandenburg
zeigen müssen, ob sie bereit ist, einen anderen Weg zu gehen.
Ein Wort noch zur Abwahl der FDP: Dies ist ein historischer Vorgang,
der letztlich die Konsequenz daraus ist, dass die FDP-Führung den
politischen Liberalismus aufgegeben hat. Der Wirtschaftsliberalismus
allein trägt nicht, sich als Anhängsel der Union zu präsentieren auch
nicht. Da wir selbst schon ähnlich bittere Stunden durchgemacht haben,
verbietet sich jede Häme. Es wird schwer, für die FDP, einen Ausweg aus
dieser tiefen Krise zu finden.
Ich bin froh, dass die AfD nicht in den Bundestag gewählt wurde. Hinter
der professoralen Altherren-Fassade tummelt sich ein gruseliger
Rechtspopulismus, Nationalchauvinismus und ein merkwürdiges
Demokratieverständnis. Die Kanzlerin sollte das Abschneiden der AfD
dennoch als Warnsignal gegenüber ihrer falschen Euro-Rettungspolitik
verstehen und begreifen, dass die Rettung von Banken, Aktionären,
Hedgefonds bei gleichzeitigen massiven Sozialkürzungen die europäische
Idee in einem Maße zerstört, dass eben derartige antieuropäische
Parteien Raum gewinnen können.
Ich möchte unseren Wählerinnen und Wählern für ihr Vertrauen danken,
das viele mir gegenüber auch sehr direkt geäußert haben. Ich möchte den
vielen selbstlosen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern danken, die mit
ihrer engagierten Arbeit dafür gesorgt haben, dass wir einen
leidenschaftlichen Wahlkampf geführt und wichtige Wahlziele erreicht
haben. Nun geht es mit der gleichen Leidenschaft an die Arbeit. DIE
LINKE tut Deutschland gut, dem Frieden, der sozialen Gerechtigkeit, der
Demokratie und der deutschen Einheit. Das soll und wird auch so bleiben.
linksfraktion.de, 23. September 2013